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2   Kornhaus

Das städtische Kornhaus

Die ursprüngliche Holzsäule mit Unterzug stützt die aufliegenden Deckenbalken im Erdgeschoss. Zwischenzeitlich dekorativ bemalt, überdauerte die Konstruktion bis heute. Aufnahme bei der bauarchäologischen Untersuchung 1976.

Kauf und Verkauf von Getreide

Die Stadt Zug baute 1427/28 ihr erstes Kornhaus. Offenbar war der Bedarf dafür erst jetzt, rund 200 Jahre nach ihrer Gründung, gegeben. Die Stadt kaufte dazu vier quadratisch angeordnete Parzellen. Zwei davon befanden sich auf der Gassenseite, zwei davon, durch den auch als «Schissigässli» bekannten Ehgraben getrennt, auf der Seeseite. Das neu errichtete Kornhaus erstreckte sich über zwei Parzellen. So grenzte es vorne an die Gasse und hinten an den See, und entsprechend gross war es. Gänzlich in Holz gefertigt, handelt es sich um einen mächtigen Bohlenständerbau, ein typisches Stadthaus für seine Zeit: dreigeschossig und mit zur Gasse vorkragenden Obergeschossen. Das Erdgeschoss wurde hallenartig ausgebildet. Wegen der enormen Raumtiefe mussten die Deckenbalken mit Unterzügen und Holzsäulen gestützt werden. In diesem grossen und hohen Raum wurde Getreide angeliefert und abtransportiert. Dieses durfte nur im städtischen Kornhaus gekauft oder verkauft werden. Die Verkaufszeiten waren geregelt, und die Stadt belegte den Getreideverkauf mit einer Steuer, dem sogenannten Immi. Dieses wurde in Form von Getreide eingezogen und dann gleich im Kornhaus eingelagert.

1535 regelte der städtische Rat den Getreideverkauf wie folgt: Die Müller und Bäcker hatten zu schwören, dass sie auch von Getreide, das nicht auf dem Zuger Markt verkauft wurde, das Immi entrichten würden. Und die Müller waren verantwortlich, dass auf dem Getreide, das ihnen zum Mahlen angeboten wurde, das Immi korrekt entrichtet wurde. Von der Abgabe ausgenommen war lediglich für den Hausgebrauch erworbenes Getreide. Der Getreideverkauf hatte am jeweils dienstags stattfindenden Wochenmarkt zu erfolgen und begann im Sommerhalbjahr von Ostern bis St. Michael (29. September) um 9 Uhr, im Winterhalbjahr von St. Michael bis Ostern um 10 Uhr morgens. Mit happigen 10 Gulden Busse wurde bestraft, wer die Verkaufszeiten nicht beachtete oder das Immi nicht entrichtete.

Quellen und Literatur

BüA Zug A.39.26.0.211, 16.01.1535.
Brigitte Moser: Hausgeschichten. Auf den Spuren des Gewerbes in der Altstadt von Zug. Broschüre zur Ausstellung der IG Altstadt Zug in Zusammenarbeit mit der Stadt Zug, Zug 2017.
Amt für Denkmalpflege und Archäologie, Direktion des Innern: Zug, Unteraltstadt 14, Altes Kaufhaus, Altstadthaus, in: Tugium 26, 2010, S. 53.

Bildnachweis

Amt für Denkmalpflege und Archäologie, Direktion des Innern. Foto Toni Hofmann.

Das Kornhaus als Kornspeicher

Das neue Kornhaus, auch St. Wolfgangshaus genannt, erbaut 1530. Aufnahme um 1880.

Der Platz wird knapp

Das Kornhaus diente nicht nur als Verkaufsort von Getreide, sondern auch als städtischer Kornspeicher. Bei Missernten versorgte die Stadt den Markt mit Getreide, um so die Preise tief zu halten und allfälligen Spekulationsgeschäften entgegenzuwirken. Als eigentlicher Lagerort für das Korn dienten wohl die oberen Geschosse des Kornhauses mit ihrer charakteristischen, auffallend kleinteiligen Raumgliederung. Hier befand sich der eigentliche Kornspeicher der Stadt.

Als Kornspeicher wurde das Kornhaus rund 70 Jahre nach seiner Entstehung ein erstes Mal zu klein. Im Jahr 1500 wurde es durch einen steinernen Anbau erheblich vergrössert. Dazu musste der Ursprungsbau wenig gekürzt werden, um so den Raum für den rechtwinklig angesetzten Erweiterungsbau zu schaffen. Das Kornhaus erhielt dadurch seine heutige Gestalt und den L-förmigen Grundriss.

Weitere 30 Jahre später scheint der Platz erneut knapp geworden zu sein. Deshalb erbaute die Stadt 1530 an der St.-Oswalds-Gasse beim Oberwilertor einen neuen, gewaltigen Kornspeicher. Hier lagerte insbesondere das Getreide, das die Stadt Zug in ihrem Untertanenland im Ennetsee alljährlich als Zehntabgaben einforderte. Zuständig dafür war der Pfleger der Kirche St. Wolfgang in Hünenberg. Deshalb wurde das von Baumeister Ulrich Giger erstellte Gebäude auch «St. Wolfgangshaus» genannt.

Quellen und Literatur

Linus Birchler: Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Zweiter Halbband: Die Kunstdenkmäler von Zug-Stadt, Basel 1959.
Thomas Glauser: Sust und Zoll, in: Tugium 16, 2000, S. 79–96.
Brigitte Moser: Hausgeschichten. Auf den Spuren des Gewerbes in der Altstadt von Zug. Broschüre zur Ausstellung der IG Altstadt Zug in Zusammenarbeit mit der Stadt Zug, Zug 2017.

Bildnachweis

Bibliothek Zug, Fotosammlung.

Das Kornhaus als Wohnhaus

Grundrissplan des ersten Obergeschosses des Kornhauses, aufgenommen 1906. Damals scheint dieses Geschoss bereits für reine Wohnzwecke eingerichtet gewesen zu sein. Seit wann dies der Fall war, ist nicht bekannt, doch lässt sich die zeitlich befristete Nutzung des Kornhauses zu Wohnzwecken ab dem 17. Jahrhundert nachweisen.

Unterkunft für kurze Zeit

Die Räume in den Obergeschossen des Kornhauses dienten neben der mutmasslichen Lagerung von Korn auch zu kurz befristeten Wohnzwecken für Leute in Notlagen. So erhielt 1615 eine Hebamme im Kornhaus Unterkunft, eine Frau namens «Blunschi» hatte indes auszuziehen. Ein Jahr später bewilligte der städtische Rat einem Leutnant Küng, hier zu wohnen, unter der Bedingung, dass er aus dem Haus gewiesen werde, wenn er sich schlecht benehme – was schon kurze Zeit später eintraf. 1618 wurde die Bitte eines Hans Jost Durner, im Kornhaus wohnen zu dürfen, vom Rat abgewiesen. 1623 erhielt Gassenwächter Wolfgang Feyss «underschlupf» und konnte auf Zusehen hin im Kornhaus wohnen. 1626 durfte ein Paul Twerenbold ins Kornhaus ziehen, wobei die beiden hier bereits einquartierten Frauen zusammenziehen und ihm eine Kammer geben mussten.

Quellen und Literatur

BüA Zug A.39.4.50054.757, 07.11.1615.
BüA Zug A.39.4.50054.982, 15.10.1616.
BüA Zug A.39.4.50054.1721, 27.10.1618.
BüA Zug A.39.26.1.1390, 12.08.1623.
BüA Zug A.39.27.50040.876, 28.03.1626.
BüA Zug A.39.26.50004.676, 15.06.1652.
Brigitte Moser: Hausgeschichten. Auf den Spuren des Gewerbes in der Altstadt von Zug. Broschüre zur Ausstellung der IG Altstadt Zug in Zusammenarbeit mit der Stadt Zug, Zug 2017.

Bildnachweis

Stadtarchiv Zug, A.11-41.1.

Fischbrutanlage und Fischereimuseum

Die Fischbrutanstalt mit dem 1892 eröffneten Fischereimuseum. Undatierte Postkarte, ca. 1910–1915.

Die Gründung des Zuger Fischereivereins

Beim Umbau des Kornhauses im Jahr 1500 kürzte man den seeseitigen Hausteil und errichtet einen steinernen Anbau. Dieser wurde im rechten Winkel an den Ursprungsbau angesetzt und verlieh dem Kornhaus seinen L-förmigen Grundriss und seine äussere Form, die bis heute überdauerte. In diesem steinernen Anbau wurde 1883 die kantonale Fischbrutanlage – zur Förderung des Fischbestands in den Zuger Gewässern – untergebracht. 1892 kam das Fischereimuseum dazu. Beide wurden vom Zuger Fischereiverein in den 1890er-Jahren übernommen und fortan geführt.

Mit der Industrialisierung und dem Bau von Wasserkraftwerken sowie der zunehmenden Gewässerverschmutzung nahm der Fischbestand in der Schweiz seit der Mitte des 19. Jahrhunderts stetig ab. Und er schwand auch weiterhin, obwohl 1875 ein Bundesgesetz zum Gewässerschutz verabschiedet wurde. Mit demselben Ziel formierte sich 1883 auf nationaler Ebene der Schweizerische Fischerei-Verband (SFV). Dieser entwickelte sich zur Dachorganisation der kantonalen Fischereiverbände und nahm den Schweizerischen Fischzüchterverband (1915 gegründet) und den Schweizerischen Berufsfischerverband (1924 gegründet) auf.

Der Zuger Fischereiverein wurde 1888 zum Schutz und Erhalt der Fische gegründet. Er besteht seit den Anfängen aus Fischern, Nichtfischern und Freunden des Fischereimuseums. Vereinsziele sind die Förderung und Ausübung der Fischerei, die Pflege der Kameradschaft, die Hege der Fischbestände, Gewässer-, Natur- und Landschaftsschutz, die Interessenwahrung der Angel- und Berufsfischer sowie der Unterhalt der Schaubrutanlage und des Fischereimuseums Zug.

Quellen und Literatur

Wolfgang Geiger: «Fischerei», in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.05.2012, online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013943/2012-05-23/, konsultiert am 04.05.2020.
Peter Ott: 100 Jahre Zuger Fischereiverein 1888–1988, Zug 1988.
Fischereimuseum Zug, online: www.fischereimuseumzug.ch, konsultiert am 04.05.2020.

Bildnachweis

Stadtarchiv Zug, P.67.117.

Das Kornhaus wird Kunsthaus

Unter Altstadt mit Autos. 1977–1990 befand sich im ehemaligen Kornhaus das erste Zuger Kunsthaus. Undatierte Aufnahme, wohl um 1970.

Umnutzung des Gebäudes

Die Stadt stellte das Kornhaus 1976 der Zuger Kunstgesellschaft zur Verfügung, um darin das erste Zuger Kunsthaus einzurichten. Dafür wurde das Haus umgebaut. 1977 war die Eröffnung mit einer grossen Ausstellung zu zugerischem Kunstschaffen von der Romantik bis zur Moderne.

Die Absicht der 1957 gegründeten Zuger Kunstgesellschaft war die «Förderung der bildenden Künste und des Kunstsinnes in der Öffentlichkeit». Dafür engagierte sie sich mit Veranstaltungen, Vorträgen, Exkursionen und Ausstellungen. Und sie erarbeitete ein erstes Sammlungskonzept mit den Schwerpunkten regionale Kunst und Schweizer Surrealismus und Phantastik. Dem ehrenamtlich arbeitenden Vorstand der Zuger Kunstgesellschaft gelang es, mit bescheidenen Mitteln grosse Ziele zu erreichen. Die Sammlung erfuhr sukzessive eine Erweiterung, Kuratoren konnten verpflichtet und vielbeachtete Ausstellungen realisiert werden. 1981 wurde die Stiftung der Freunde des Kunsthauses Zug gegründet. Sie befasste sich mit dem Sammlungsausbau und mit der Planung und dem Bau des zukünftigen, eigenen Kunsthauses. 1983 konnte die Liegenschaft «Hof» an der Dorfstrasse erworben und für den Aus- und Umbau der Architekt Franz Füeg verpflichtet werden. Mit dem Bauvorhaben wurde 1988 begonnen, 1990 ging die Leitung des Kunsthauses in professionelle Hände über.

Quellen und Literatur

Hans Peter Gnos: 50 Jahre Zuger Kunstgesellschaft, 25 Jahre Stiftung der Freunde Kunsthaus Zug, 5 Jahre Kunsthaus Zug mobil, in: Zuger Neujahrsblatt 2008, S. 130–133.
Zuger Neujahrsblatt 1978, Kunstchronik, S. 85.

Bildnachweis

Bibliothek Zug, Fotosammlung.

Wie sich das Kornhaus heute präsentiert

Ost-West-Schnitt durch das Kornhaus von 1427/28 (grün) und den seeseitigen, steinernen Anbau von 1500 (orange).

Sichtbare Baugeschichte

Das im Kern von 1427/28 stammende Kornhaus prägt heute noch die Fassadenflucht und gibt einen Eindruck, wie die Stadt damals ausgesehen hat. Als typisches Stadthaus jener Zeit ist es ein mehrgeschossiger Bohlenständerbau mit zur Gasse vorkragenden Obergeschossen. Auf der Gassenseite im Erdgeschoss sind die Ständer in der Fassade noch ursprünglich. In den Obergeschossen indes zeigt sich eine in den 1920er-Jahren der originalen Fassade vorgeblendete Nachahmung. Diese ist mit floralen Malereien im Stil des 16. Jahrhunderts verziert.

Im Inneren sind viele Holzbauteile ursprünglich. So haben im Erdgeschoss etwa die schöne, ehemals kunstvoll bemalte Holzsäule mit Unterzug überdauert. In den Obergeschossen sind verschiedene originale Ständer und sogar Wandbohlen erhalten. Zahlreiche bauzeitliche Nuten – Schlitze, in welche die Wandbohlen eingeschoben waren – in den Ständerkanten und Wandrähmen bezeugen die auffallend vielen kleinen Kammern, die hier einst eingerichtet waren.

Im zweiten Obergeschoss ist der obere Gerüstabschluss des Ursprungsbaus mit Bundrähmen und Ankerbalken und den charakteristischen Verstrebungen sichtbar. Am filigranen, stehenden Dachstuhl, der ursprünglich riesig war und mit dem westlichen Ausbau von 1500 verkleinert wurde, sind die Bauphasen eindrücklich ablesbar.

Quellen und Literatur

Linus Birchler: Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Zweiter Halbband: Die Kunstdenkmäler von Zug-Stadt, Basel 1959.
Adriano Boschetti: Archäologie der Stadt Zug, Band 1 (Kunstgeschichte und Archäologie im Kanton Zug, 6.1), Zug 2012, S. 131–151.
Brigitte Moser: Hausgeschichten. Auf den Spuren des Gewerbes in der Altstadt von Zug. Broschüre zur Ausstellung der IG Altstadt Zug in Zusammenarbeit mit der Stadt Zug, Zug 2017.
Peter Streitwolf: Das alte Kaufhaus von Zug, in: Tugium 16/ 2000, S. 97–133.
Amt für Denkmalpflege und Archäologie, Direktion des Innern: Zug, Unteraltstadt 14, Altes Kaufhaus, Altstadthaus, in: Tugium 26, 2010, S. 53.

Bildnachweis

Amt für Denkmalpflege und Archäologie, Direktion des Innern. Zeichnung Toni Hoffmann.

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